Post by Admin on Jan 24, 2018 11:16:21 GMT
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SPD-Chef vor Koalitionsgesprächen:
-----> Schulz' Macht bröckelt
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Von V. Medick und C. Teevs
Aktualisiert am 23. Januar 2018, 06:12 Uhr
In Kooperation mit Spiegel Online
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Martin Schulz geht angeschlagen in die Koalitionsgespräche mit der Union.
In der Fraktion muss sich der SPD-Chef offene Kritik anhören.
Die Führung übernimmt immer mehr Andrea Nahles.
Die SPD-Spitze braucht jetzt erst mal Zeit für sich.
Am Tag nach dem Parteitag, bei dem eine Blamage nur knapp verhindert wurde, wirken die führenden Genossen erschöpft und nachdenklich.
Anders als geplant sollen die Gespräche mit der Union nicht schon am Dienstag beginnen.
Mitte der Woche will die engere Parteiführung erst einmal intern beraten, bei einer Klausur soll der Ablauf der Verhandlungen mit der Union geplant werden.
Wie angespannt die Stimmung nach dem Parteitag ist, zeigte sich am Montagmorgen in der Sitzung der Bundestagsfraktion.
Viele Abgeordnete reagierten erschrocken auf das äußerst knappe Votum des Bonner Sonderparteitags am Sonntag.
In einer emotionalen Debatte habe es auch deutliche Kritik an Parteichef Martin Schulz gegeben, berichten Teilnehmer.
Mehrere Abgeordnete schilderten demnach ihre Enttäuschung über Schulz' Auftritt vor den Delegierten.
Die Rede habe den falschen Ton gehabt und sei zu kleinteilig gewesen.
Ohne Emotionen sei die Auseinandersetzung mit den GroKo-Gegnern nicht zu gewinnen - Argumente alleine reichten nicht aus.
Fraktionschefin Andrea Nahles sagte eigens ein Frühstück mit französischen Gästen ab, um die Debatte zu lenken.
Ihr Agieren auf dem Parteitag wurde in der Fraktion von mehreren Abgeordneten gelobt.
Schulz beendete die Sitzung mit einer von vielen als leidenschaftlich empfundenen Rede, in der er seinen Führungsanspruch untermauerte.
Er zeigte sich selbst unzufrieden mit seinem Auftritt auf dem Parteitag.
Manchmal, so wird er wiedergegeben, komme eben alles zusammen:
Druck, Stress und Krankheit.
Aber das solle niemand als Ausrede verstehen.
Seit er vor einem Jahr den Vorsitz von Sigmar Gabriel übernahm, habe er versucht, einen neuen Führungsstil zu etablieren, nicht mehr von oben herab, sondern gemeinschaftlich.
Das sei auch in einigen Fragen erfolgreich gewesen, aber die Diskussion zeige ihm, dass es in der Sozialdemokratie auch wesentliche Teile gebe, die mehr Führung wünschten, wird Schulz wiedergegeben.
In Anlehnung an einen Satz von Parteivize Olaf Scholz beendete er seine Schlussbotschaft in versöhnlichem Ton:
"Wer Führung bestellt, der kriegt sie auch."
Dafür erhielt er dem Vernehmen nach viel Applaus, mancher Teilnehmer fragte sich, warum Schulz so nicht beim Parteitag geredet habe.
Der Parteitag hat eine Verschiebung der Machtverhältnisse in der SPD beschleunigt, die schon länger im Gang ist:
Nahles, die ehemalige Juso-Chefin, Ex-Generalsekretärin und Ex-Arbeitsministerin, übernimmt immer stärker die Führung.
Schulz dagegen ist geschwächt.
Der Vorsitzende wirkt wie ein Getriebener, von den Umständen, wie auch von den führenden Gremien der Partei.
Es stimmt ja:
Schulz hat den Kurswechsel von der strikten Absage an eine Regierungsbeteiligung zu Koalitionsgesprächen nicht alleine entschieden.
Deshalb betont er immer wieder - zuletzt in seiner Rede in Bonn -, dass die ungeliebte GroKo nun das Ziel der gesamten Führung sei.
***
-----> Nahles hat guten Ruf in der Union
Doch derzeit will ihm nichts gelingen.
Nahles machte ihrem Parteichef am Sonntag vor, wie man die Partei mitnehmen kann.
In gerade einmal sieben Minuten Redezeit deckte sie die Schwächen der Anti-GroKo-Kampagne des Juso-Chefs Kevin Kühnert auf:
Es könne doch nicht sein, dass die SPD nur noch mitregiere, wenn sie absolute Mehrheiten habe oder in einem Linksbündnis regiere - das übrigens derzeit illusorisch sei.
"Das ist Blödsinn, verdammt noch mal", rief Nahles.
Auch in der Union wird die Fraktionschefin als starke Verhandlungspartnerin respektiert.
Sie ist in den meisten Themen sattelfest und gilt als verlässlich, wenn Vereinbarungen getroffen sind.
***
-----> Debatte: Sollte Schulz dem Kabinett angehören ?
Und Schulz ?
Gegen ihn wird seit Montag auch öffentlich geschossen.
"Wir brauchen einen Parteivorsitzenden, der nicht Mitglied der Regierung ist", sagte der baden-württembergische Vize-Chef Frederick Brütting der Nachrichtenagentur dpa.
Schulz selbst habe gesagt, dass die SPD mit einem eigenen Profil in einer Bundesregierung erkennbar sein müsse.
Dazu brauche es einen Parteichef, der selbst nicht Teil des Kabinetts sei, so Brütting.
Er befeuert damit eine Debatte, die schon vor dem Parteitag begonnen hatte.
Allerdings wurde sie da noch hinter vorgehaltener Hand geführt.
So wurde das Thema Kabinettsverzicht am Mittwoch auch in der NRW-Landesgruppe im Bundestag angesprochen.
Aber keiner der Abgeordneten wollte sich öffentlich dazu äußern.
Inzwischen äußerte sich auch der designierte SPD-Chef in Thüringen, Wolfgang Tiefensee, dazu.
In der Zeitung "Die Welt" sagte er:
"Er sollte im eigenen Interesse möglichst schnell klarmachen, dass er nicht in ein Kabinett Merkel eintreten will."
Es sei "niemandem zu erklären, wenn Martin Schulz nun ein Ministeramt anstrebt".
Tiefensee forderte außerdem Angela Merkel auf, ihr Amt als Kanzlerin in zwei Jahren zur Verfügung zu stellen.
"Es wäre ein Beweis politischer Klugheit."
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-----> Welche Macht hat ein Parteichef, der nicht Teil der Regierung ist ?
Für Schulz ist es eine gefährliche Situation:
Mit dem Verzicht auf einen Ministerposten könnte er womöglich die Partei befrieden.
Viele fürchten, dass die Erneuerung der SPD während einer Großen Koalition weiter aufgeschoben würde.
Außerdem gibt es in der SPD ein großes Misstrauen gegen Angela Merkel.
Ginge er nicht ins Kabinett, wäre der Parteichef vor einer möglichen Kontamination durch die GroKo geschützt, heißt es.
Andererseits:
-----> Was hätte Schulz noch zu sagen, wenn er neben sich eine mächtige Fraktionschefin und einen Vizekanzler hätte ?
Dabei lässt sich die Idee des Kabinettsverzichts auch andersherum interpretieren:
Manche schlagen vor, der 62-Jährige könne durchaus Minister werden - und dafür den Parteivorsitz abgeben.
Doch das Grundproblem bliebe das gleiche:
Wer auch immer SPD-Chef wäre, welche Verhandlungsposition hätte er, wenn er nicht Teil der Regierung wäre ?
Wie sollte er das Profil der Partei stärken, wenn andere Genossen mit Merkel und CSU-Chef Horst Seehofer den Kurs der Koalition bestimmten ?
Vor einem Gespräch der drei Parteichefs am Abend machte SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach klar, worauf es nun ankomme:
"Erstens darf es keine Bedingungen oder kategorischen Ablehnungen geben."
Wer dies tue, zeige den heimlichen Wunsch, die Verhandlungen scheitern zu lassen.
"Zweitens müssen die Verhandlungen wieder vertraulich sein", sagte Lauterbach.
"Und drittens dürfen wir die Ergebnisse später nicht kleinreden."
Ob die Ergebnisse aber überhaupt ausreichen werden, um die skeptische Basis zu überzeugen, ist offen.
Der Druck auf die SPD-Spitze lässt nach dem knappen Erfolg beim Parteitag jedenfalls nicht nach.
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-----> SPD nach dem Sonderparteitag: Uneinig, aber nicht gespalten
Mit großer Erleichterung hat die SPD-Spitze das Ja der Delegierten zu Koalitionsverhandlungen mit der Union aufgenommen.
Eine Politikwissenschaftlerin erklärt, warum das Ergebnis für Parteichef Martin Schulz keine Stärkung bedeutet - für die Debattenkultur der SPD allerdings schon.
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Quelle:
© SPIEGEL ONLINE
Quelle der Quelle:
home.1und1.de/magazine/politik/wahlen/bundestagswahl/spd-chef-koalitionsgespraechen-schulz-broeckelt-32761930
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SPD-Chef vor Koalitionsgesprächen:
-----> Schulz' Macht bröckelt
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Von V. Medick und C. Teevs
Aktualisiert am 23. Januar 2018, 06:12 Uhr
In Kooperation mit Spiegel Online
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Martin Schulz geht angeschlagen in die Koalitionsgespräche mit der Union.
In der Fraktion muss sich der SPD-Chef offene Kritik anhören.
Die Führung übernimmt immer mehr Andrea Nahles.
Die SPD-Spitze braucht jetzt erst mal Zeit für sich.
Am Tag nach dem Parteitag, bei dem eine Blamage nur knapp verhindert wurde, wirken die führenden Genossen erschöpft und nachdenklich.
Anders als geplant sollen die Gespräche mit der Union nicht schon am Dienstag beginnen.
Mitte der Woche will die engere Parteiführung erst einmal intern beraten, bei einer Klausur soll der Ablauf der Verhandlungen mit der Union geplant werden.
Wie angespannt die Stimmung nach dem Parteitag ist, zeigte sich am Montagmorgen in der Sitzung der Bundestagsfraktion.
Viele Abgeordnete reagierten erschrocken auf das äußerst knappe Votum des Bonner Sonderparteitags am Sonntag.
In einer emotionalen Debatte habe es auch deutliche Kritik an Parteichef Martin Schulz gegeben, berichten Teilnehmer.
Mehrere Abgeordnete schilderten demnach ihre Enttäuschung über Schulz' Auftritt vor den Delegierten.
Die Rede habe den falschen Ton gehabt und sei zu kleinteilig gewesen.
Ohne Emotionen sei die Auseinandersetzung mit den GroKo-Gegnern nicht zu gewinnen - Argumente alleine reichten nicht aus.
Fraktionschefin Andrea Nahles sagte eigens ein Frühstück mit französischen Gästen ab, um die Debatte zu lenken.
Ihr Agieren auf dem Parteitag wurde in der Fraktion von mehreren Abgeordneten gelobt.
Schulz beendete die Sitzung mit einer von vielen als leidenschaftlich empfundenen Rede, in der er seinen Führungsanspruch untermauerte.
Er zeigte sich selbst unzufrieden mit seinem Auftritt auf dem Parteitag.
Manchmal, so wird er wiedergegeben, komme eben alles zusammen:
Druck, Stress und Krankheit.
Aber das solle niemand als Ausrede verstehen.
Seit er vor einem Jahr den Vorsitz von Sigmar Gabriel übernahm, habe er versucht, einen neuen Führungsstil zu etablieren, nicht mehr von oben herab, sondern gemeinschaftlich.
Das sei auch in einigen Fragen erfolgreich gewesen, aber die Diskussion zeige ihm, dass es in der Sozialdemokratie auch wesentliche Teile gebe, die mehr Führung wünschten, wird Schulz wiedergegeben.
In Anlehnung an einen Satz von Parteivize Olaf Scholz beendete er seine Schlussbotschaft in versöhnlichem Ton:
"Wer Führung bestellt, der kriegt sie auch."
Dafür erhielt er dem Vernehmen nach viel Applaus, mancher Teilnehmer fragte sich, warum Schulz so nicht beim Parteitag geredet habe.
Der Parteitag hat eine Verschiebung der Machtverhältnisse in der SPD beschleunigt, die schon länger im Gang ist:
Nahles, die ehemalige Juso-Chefin, Ex-Generalsekretärin und Ex-Arbeitsministerin, übernimmt immer stärker die Führung.
Schulz dagegen ist geschwächt.
Der Vorsitzende wirkt wie ein Getriebener, von den Umständen, wie auch von den führenden Gremien der Partei.
Es stimmt ja:
Schulz hat den Kurswechsel von der strikten Absage an eine Regierungsbeteiligung zu Koalitionsgesprächen nicht alleine entschieden.
Deshalb betont er immer wieder - zuletzt in seiner Rede in Bonn -, dass die ungeliebte GroKo nun das Ziel der gesamten Führung sei.
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-----> Nahles hat guten Ruf in der Union
Doch derzeit will ihm nichts gelingen.
Nahles machte ihrem Parteichef am Sonntag vor, wie man die Partei mitnehmen kann.
In gerade einmal sieben Minuten Redezeit deckte sie die Schwächen der Anti-GroKo-Kampagne des Juso-Chefs Kevin Kühnert auf:
Es könne doch nicht sein, dass die SPD nur noch mitregiere, wenn sie absolute Mehrheiten habe oder in einem Linksbündnis regiere - das übrigens derzeit illusorisch sei.
"Das ist Blödsinn, verdammt noch mal", rief Nahles.
Auch in der Union wird die Fraktionschefin als starke Verhandlungspartnerin respektiert.
Sie ist in den meisten Themen sattelfest und gilt als verlässlich, wenn Vereinbarungen getroffen sind.
***
-----> Debatte: Sollte Schulz dem Kabinett angehören ?
Und Schulz ?
Gegen ihn wird seit Montag auch öffentlich geschossen.
"Wir brauchen einen Parteivorsitzenden, der nicht Mitglied der Regierung ist", sagte der baden-württembergische Vize-Chef Frederick Brütting der Nachrichtenagentur dpa.
Schulz selbst habe gesagt, dass die SPD mit einem eigenen Profil in einer Bundesregierung erkennbar sein müsse.
Dazu brauche es einen Parteichef, der selbst nicht Teil des Kabinetts sei, so Brütting.
Er befeuert damit eine Debatte, die schon vor dem Parteitag begonnen hatte.
Allerdings wurde sie da noch hinter vorgehaltener Hand geführt.
So wurde das Thema Kabinettsverzicht am Mittwoch auch in der NRW-Landesgruppe im Bundestag angesprochen.
Aber keiner der Abgeordneten wollte sich öffentlich dazu äußern.
Inzwischen äußerte sich auch der designierte SPD-Chef in Thüringen, Wolfgang Tiefensee, dazu.
In der Zeitung "Die Welt" sagte er:
"Er sollte im eigenen Interesse möglichst schnell klarmachen, dass er nicht in ein Kabinett Merkel eintreten will."
Es sei "niemandem zu erklären, wenn Martin Schulz nun ein Ministeramt anstrebt".
Tiefensee forderte außerdem Angela Merkel auf, ihr Amt als Kanzlerin in zwei Jahren zur Verfügung zu stellen.
"Es wäre ein Beweis politischer Klugheit."
***
-----> Welche Macht hat ein Parteichef, der nicht Teil der Regierung ist ?
Für Schulz ist es eine gefährliche Situation:
Mit dem Verzicht auf einen Ministerposten könnte er womöglich die Partei befrieden.
Viele fürchten, dass die Erneuerung der SPD während einer Großen Koalition weiter aufgeschoben würde.
Außerdem gibt es in der SPD ein großes Misstrauen gegen Angela Merkel.
Ginge er nicht ins Kabinett, wäre der Parteichef vor einer möglichen Kontamination durch die GroKo geschützt, heißt es.
Andererseits:
-----> Was hätte Schulz noch zu sagen, wenn er neben sich eine mächtige Fraktionschefin und einen Vizekanzler hätte ?
Dabei lässt sich die Idee des Kabinettsverzichts auch andersherum interpretieren:
Manche schlagen vor, der 62-Jährige könne durchaus Minister werden - und dafür den Parteivorsitz abgeben.
Doch das Grundproblem bliebe das gleiche:
Wer auch immer SPD-Chef wäre, welche Verhandlungsposition hätte er, wenn er nicht Teil der Regierung wäre ?
Wie sollte er das Profil der Partei stärken, wenn andere Genossen mit Merkel und CSU-Chef Horst Seehofer den Kurs der Koalition bestimmten ?
Vor einem Gespräch der drei Parteichefs am Abend machte SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach klar, worauf es nun ankomme:
"Erstens darf es keine Bedingungen oder kategorischen Ablehnungen geben."
Wer dies tue, zeige den heimlichen Wunsch, die Verhandlungen scheitern zu lassen.
"Zweitens müssen die Verhandlungen wieder vertraulich sein", sagte Lauterbach.
"Und drittens dürfen wir die Ergebnisse später nicht kleinreden."
Ob die Ergebnisse aber überhaupt ausreichen werden, um die skeptische Basis zu überzeugen, ist offen.
Der Druck auf die SPD-Spitze lässt nach dem knappen Erfolg beim Parteitag jedenfalls nicht nach.
***
-----> SPD nach dem Sonderparteitag: Uneinig, aber nicht gespalten
Mit großer Erleichterung hat die SPD-Spitze das Ja der Delegierten zu Koalitionsverhandlungen mit der Union aufgenommen.
Eine Politikwissenschaftlerin erklärt, warum das Ergebnis für Parteichef Martin Schulz keine Stärkung bedeutet - für die Debattenkultur der SPD allerdings schon.
***
Quelle:
© SPIEGEL ONLINE
Quelle der Quelle:
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